Musikalische Lesung
Was wäre, wenn jeden Abend Weihnachten wäre? Tante Milla lässt sich von den Grauen des zweiten Weltkriegs nicht davon abhalten, 1945 endlich wieder ungetrübt Weihnachten zu zelebrieren. Als im neuen Jahr ihr geliebter Christbaum wieder abgeschmückt und entfernt werden soll, erleidet sie plötzlich einen Nervenzusammenbruch. Mediziner werden ohne Erfolg zu Rate gezogen, bis Onkel Franz endlich die Lösung findet: Er verordnet seiner Gattin eine „Tannenbaumtherapie“. Fortan wird jeden Abend Heiligabend gefeiert – Winter wie Sommer, mit allem Drum und Dran und im ganzen Familienkreis. Doch die Festgesellschaft wird nach einiger Zeit des Spekulatiusknabberns und des Weihnachtsliedersingens überdrüssig. Verfallserscheinungen äußern sich in unterschiedlicher Form. Mit der Zeit lassen sich die Gäste für die abendlichen Feiern nach und nach durch Schauspieler vertreten. Ein erwerbsloser Inspizient bringt zuletzt die Abendveranstaltung monatelang klaglos über die Bühne. Schließlich müssen die Kinder durch Wachspuppen ersetzt werden. In „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ (1952) nimmt Heinrich Böll deutsche Nachkriegsmentalität und unumstößliche Weihnachtsroutine satirisch aufs Korn. Verpackt in eine humorvolle Erzählung äußert er spitzfindig Kritik an der mangelhaften Aufarbeitung in den frühen Nachkriegsjahren. Schauspieler Dietmar Bär gibt den launigen Erzähler, während der klassische Schlagzeuger und Klangkünstler Stefan Weinzierl mit seinem außergewöhnlichen Instrumentariumtypisch-untypische Weihnachtsmelodien erklingen lässt. „Im Krieg wird gesungen, geschossen, geredet, gekämpft, gehungert und gestorben – und es werden Bomben geschmissen – lauter unerfreuliche Dinge, mit deren Erwähnung ich meine Zeitgenossen in keiner Weise langweilen will.“ (Heinrich Böll)